«Die Veränderungen im Verhalten der Kinder nach einer Kunsttherapie-Sitzung
beeindrucken mich immer wieder.»

Prof. Dr. med. Bernhard Frey, Universitäts-Kinderspital Zürich

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Kreativität Heilt

Kunsttherapie auf der Psychiatrie

Die 17-jährige Nadia* wird aufgrund von lebensgefährlichem Gewichtsverlust ins Spital eingewiesen; bereits seit drei Jahren leidet sie an Magersucht. Bei dem ersten Treffen wirkt sie apathisch und hat keine Lust zu sprechen. Die Kunsttherapeutin schlägt ihr vor, drauflos zu malen und verschiedene Farben auszuprobieren, ohne ein Ergebnis zu erzielen.

Zeichnung von Nadia, wie sie den Teufelskreis der Magersucht durchbrechen möchte.

Nadia entspannt sich und drückt sich mit jeder weiteren Sitzung freier mit den Farben und den gemalten Bildern aus. Sie beginnt, über ihre Krankheit zu sprechen, zu verstehen, was sie dazu getrieben hat, sich selbst zu zerstören. Sie kann ihren Ängsten und Sorgen eine Form geben: «Wenn ich male, fühle ich mich gut».

Nach fünf Monaten kann Nadia das Spital verlassen, ist viel fröhlicher, lebhafter. Noch bevor sie geht, sagt sie zur Kunsttherapeutin:  «Ich habe noch nicht gewonnen. Aber ich habe die Kraft, gegen meine Krankheit zu kämpfen. Denn ich will es schaffen».

* Name geändert

Kunsttherapie auf der Intensivstation

Mehrere Monate wurde Geneviève von uns Kunsttherapeutinnen auf der Intensivstation begleitet.
 
Das 13jährige Mädchen ist durch ihre Krankheit körperlich schwer behindert und es ist ihr nur möglich mit den Augen zu kommunizieren. Ein Ja, bedeutet wenn sie mit den Augen zwinkert, bei einem Nein, rollen ihre grossen, grünen Augen mit den langen Wimpern, hin und her. Es wurde schnell klar, dass sie gerne malt, am liebsten benutzt sie dazu ihre Hände, dabei ist sie jedoch auf unsere Hilfe angewiesen.
 
Sie bestimmt welche Farben auf dem Blatt verteilt werden sollen und was für Bewegungen ihre Hände, ihre Arme dabei machen. Wellen, Punkte, Striche, Kreise…Immer wieder möchte sie Farben mischen und verschmieren, so dass das ganze Blatt grau oder braun wird, eher düster. Sogenannte “Frustbilder“ wie ihre Mutter sagt und ist überzeugt, dass es Geneviève gut tut, etwas “Dampf“ abzulassen. Je grösser die Unordnung und Verschmutzung, desto grösser die Freude.
 
Ein langer Prozess durch sehr viel Schmerz, Frust und Trauer. Die Bilder wandeln sich zu bewölktem Himmel, dunkler Nacht…dann folgen Sterne, es können kaum genügend sein, golden sollen sie leuchten. Sie wird zur Architektin ihres Werkes und beauftragt die Kunsttherapeutin, mit Leim und Blattgold die Sterne auszufüllen. Dabei schaut sie genüsslich zu, beobachtet wie sich das zarte Gold verteilt, wartet geduldig bis es trocknet und wenn das Bild fertig ist, leuchten ihre Augen wie zwei helle Sterne.
 
Genevièves Mutter ist sehr dankbar, dass ihre Tochter während dem langen Spitalaufenthalt Zeitfenster hat, in denen sie etwas Schönes, erleben darf.

Kunsttherapie auf der Onkologie

Wenn ein bösartiger Tumor, Leukämie oder ein andersartiger Krebs bei Kindern diagnostiziert wird, ist das immer erstmals eine grosse Erschütterung für die ganze Familie.

Schon auf dem Flur, auf dem Weg ins Spitalzimmer, ist eine gewisse Bedrückung und eine Ungewissheit als schwere Last spürbar. Die Chemotherapie ist noch fremd und tapfer müssen die Kinder viel über sich ergehen lassen. Untersuchungen, Blutentnahmen, Medikamente welche sie nicht mögen, Übelkeit, Müdigkeit. Die ganze Familie muss sich mit der Betreuung neu organisieren, und die Tage im Zimmer sind lang, geprägt von vielen Verstimmungen und auch unausgesprochenen Ängsten.

Die Kunsttherapie hat ein breites Angebot und kann in verschiedenen Situationen eingesetzt werden. Sie wirkt z.B. ganz einfach als Ablenkung von Schmerzen, Heimweh, und Langeweile.

Es ist zu beobachten, dass sich die Stimmung zum Positiven verändert, etwas Leichtigkeit und Spielfreude aufblühen darf. Neue Energie kann freigesetzt werden und einen sehr belebenden Aspekt haben. Das kreative, nonverbale Tun stärkt das Kind in seiner Selbstbestimmung und seinen Ressourcen. Die Kunsttherapie kann eine Krankheit nicht heilen, aber helfen damit zu sein.

Fallbeispiel: Kunsttherapie mit einem onkologisch erkrankten, achtjährigen Jungen

Der Junge wäre gerne gesund wie sein Bruder und auch die Trauer seiner Eltern lastet auf ihm. Während unserer Therapiesitzung gibt er sich kämpferisch und stark und es ist besonders schön zu sehen, wie er motiviert ist zu malen. Er möchte, dass ich mit ihm zusammen male und dabei erzählt er eine Geschichte einer Familie, die bei einem wunderschönen Ausflug im Wald plötzlich von einem ungeheuren Gewitter überrascht wird. Dann eine längere Stille. Die Malsequenz dauert gute 45 Minuten und wir sind beide erstaunt wie rasch die Zeit verflogen ist. Der Junge ist begeistert und meint, das hätte richtig gut getan. Zufrieden und auch etwas stolz über sein Werk lehnt er sich zurück.

Als seine Mutter wieder da ist, ist sie sichtlich gerührt und freut sich, da sie merkt, dass die Stimmung ihres Sohnes deutlich besser ist. Die Stunde hat ihm die Möglichkeit gegeben, seinen Gefühlen einen Ausdruck zu geben. Sie betont wie wichtig dieses Angebot sei, und für ihren Sohn anscheinend genau das richtige Ventil. Die Zeichnungen würden zu Hause einen Platz finden und hätten eine grosse Bedeutung.

Kunsttherapie auf der Psychiatrie

Das ist die Geschichte eines kleinen Jungen, Thomas.

Mit seinen sieben Jahren wurde er bereits viele Male verlassen, wird immer wieder abgeschoben, von einem Heim ins nächste. Ein Start ins Leben, wie ihn keiner wünscht.

Thomas hat bereits eine lange Leidensgeschichte hinter sich, bis er schliesslich in einer Pflegeeinrichtung mit Sonderschule aufgenommen wird. Er zeigt grosse Beziehungs- und Kommunikationsprobleme, weshalb ihm das medizinische und pädagogische Betreuungsteam die Kunsttherapie empfiehlt.

Mit einem Tischfussballspiel tritt die Kunsttherapeutin mit dem kleinen Jungen in Kontakt und setzt damit den Grundstein für eine vertrauensvolle Beziehung.

In der zweiten Sitzung schlägt ihm die Therapeutin vor, mit Kartons zu arbeiten. Er beschliesst, daraus ein Auto zu bauen, das ihn in seine Heimat bringen soll. Er fängt an zu sprechen – und die Idee, wegzufahren, gefällt ihm so gut, dass er sich immer wieder aus seiner Lerngruppe im Pflegezentrum schleicht, um zu seinem selbstgebastelten Auto zurückzukehren.

Während den Sitzungen nimmt sich Thomas immer mehr Kartons und verwandelt sein Auto in ein Wohnmobil. Er baute ein Bett, ein Waschbecken, eine Toilette und ein GPS, um ihm zu helfen, seinen Weg zu finden. Die Sitzungen verwandeln sich in eine Reise um die Welt.

„Es wird eine lange Reise und man braucht Geduld“, sagt er.

In Begleitung der Kunsttherapeutin, ausgestattet mit Landkarte und Pass aus Karton, durchquert Thomas Städte und Länder, um in seine Heimat, zu seiner Familie, zurückzukehren.

Diese Momente, geprägt von Kreativität und Fantasie, erlauben der Therapeutin, Thomas auf sanfte Weise mit schmerzhaften Themen zu konfrontieren. Ohne Worte, lediglich über das kreative Spiel.

Als nächstes baut Thomas Kaninchenställe mit Betten und Spielzeug. Er kümmert sich um ihr Wohlbefinden und ihre Sicherheit. Nach über sechs Monaten wöchentlicher Sitzungen stimmt er schliesslich zu, über seine Gefühle und Empfindungen zu sprechen. Er erlaubt sich selbst, Emotionen zuzulassen.

Kunsttherapie in einem Kinderspital

Ich richte mich in den Therapiestunden ganz nach dem Bedürfnis und der Situation des Kindes. Wichtig ist mir dabei den gesunden Aspekt des Kindes im Vordergrund zu haben und seine Autonomie zu unterstützen. In dieser Stunde darf das Kind entscheiden, Ja und Nein sagen und selber wählen. Hier steht nicht die Sprache, sondern das eigene Handeln im Mittelpunkt und ermöglicht so Unausgesprochenem eine Ausdrucksmöglichkeit zu geben. Das künstlerische Tun stärkt die Ressourcen und ermöglicht dem Kind, sich auch im Spitalalltag als eigeninitiativ und handlungsfähig zu erleben. Wenn ich dabei beobachten darf, wie sich das Kind immer mehr entspannt, die momentane Situation in den Hintergrund tritt und einer kreativen Fröhlichkeit Platz macht, erfüllt mich das mit grosser Dankbarkeit und Freude.

Musiktherapie auf der Psychiatrie

Sabine* 16 Jahre alt, ist auf Grund einer Anorexie in der Klinik hospitalisiert. Für Sabine war die Musiktherapie ein wichtiger Ort, um sich sowohl nonverbal als auch verbal auszudrücken. In jeder Stunde gelang es ihr, etwas für sich zu entdecken und Neues zu wagen und auszuprobieren. Diese Erfahrungen können wie einzelne Mosaiksteine sein. Mehrere Mosaiksteine zusammen ergeben ein Bild. In diesem Bild spielt auch ihr Selbstwert, der erstarken kann, eine wichtige Rolle. Sabines neugierige und offene Haltung unterstützten sie in dieser Auseinandersetzung.

*Name geändert

Musiktherapie auf der Neonatologie

„Oh happy day“

Ein grosses Dankeschön an die Stiftung ART-THERAPIE und das Autorinnenteam des Wiegenliederbuches. Die Frühgeborene Lisa* liegt seit einigen Wochen auf der Intensivstation. Die Mutter von Lisa kommt jeden Morgen bereits um 5 Uhr zu ihrer jüngsten Tochter – zuhause sind drei Geschwister. Meine Idee war es, dass ich das “Gesangs-Buch“ mit einer Notiz für die Mutter neben die Isolette legen würde.

„Oh happy day“, heute war die ganze Familie dank der Schulferien bei der kleinen Lisa zu Besuch. In den Augen von Frau D. schimmerten Tränen, als sie später ins Wartezimmer kam, wo ich mit den drei Kindern musizierte: „Idas Sommervisa“ kennen wir, ich bin Schwedin.“ Die Mama sang mit ihrer Kinderschar das Sommerlied – die Sonne strahlte im Wartezimmer der Intensivstation.

Das sinnliche und feine Geschenk hat in Windeseile den Weg in die Herzen der Patient*innen, Angehörigen und der Kunsttherapeutin im Kantonspital Graubünden gefunden.

*Name geändert

Musiktherapie auf der Psychiatrie

Emma (Name geändert), ein achtjähriges Mädchen, wurde fünf Wochen lang wegen Anorexie hospitalisiert. Trotz ihres sehr jungen Alters wies Emma mehrere Symptome einer Anorexie auf: freiwilliger Gewichtsverlust mit kompensatorischem Verhalten (Sport), grosse Sorge um ihr Gewicht mit einem verzerrten Körperbild (sieht sich selbst als dick, obwohl sie 23 kg wiegt), Zwangsgedanken (Stimme, die ihr befiehlt, nicht zu essen) und ein sehr starkes Kontrollbedürfnis. Im Juni wurde sie wegen einer Bradykardie im Zusammenhang mit ihrer restriktiven Ernährung ins Krankenhaus eingeliefert.

Ich konnte Emma während ihres Krankenhausaufenthalts dreizehn Mal sehen. Sie war sehr zurückhaltend und verbal wie auch akustisch wenig ausdrucksstark. Sie blieb in ständiger Kontrolle und erlaubte sich nichts, was ihr Freude bereiten könnte. Im Laufe der Sitzungen ermöglichte die Musik Emma, mit ihren unterdrückten Emotionen wie Aggression, Wut und Traurigkeit in Kontakt zu kommen. Insbesondere der Gesang und das Klavierspiel waren wertvolle Hilfsmittel bei dieser Öffnung hin zu einem freieren Ausdruck: Ihr Klangspiel wurde immer reicher, es gab immer mehr Intensität, Noten und Freiheit.

Was sie nicht mit Worten ausdrücken konnte, drückte Emma in der Musik aus. Ihre dünne Stimme wurde selbstbewusster, die Perkussion brachte sie einer gewissen Freude und dem Loslassen näher, brachte Bewegung in die Bereiche, in welchen die Krankheit sie eingefroren hatte. Die Stimme, die ihr befahl, Sport zu treiben, um Gewicht zu verlieren, konnte durch Noten und Farben dargestellt werden und verlor so ihren Schrecken.

Ein Höhepunkt der Nachsorge fand in der elften Sitzung statt. Nach einem besonders emotionalen Gespräch mit dem Pflegeteam und den Eltern kamen diese zur Sitzung, damit Emma ihnen ein Lied vorspielen konnte, das sie nach der Musik von Vianney komponiert hatte. Jede Strophe handelte von einem Familienmitglied. Der Vater, der dem Team gegenüber manchmal rachsüchtig und distanziert war, gab seine defensive Haltung auf und ließ seinen Tränen freien Lauf. Es war ein intensiver Moment.

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