«Des König Ohrläppchen»
Mariella Muliatteri-Binetti & Ursula Bucher
Übersetzung des Vorworts
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„Des Königs Ohrläppchen “ – Ein Buch, um anders über Krankheit zu denken
FONDATION ART-THERAPIE
Eine schwere Krankheit oder ein Unfall beeinträchtigen ein Kind in jeder Hinsicht: physisch, emotional und psychisch. Zu den verschiedenen medizinischen Eingriffen kommen die Angst vor dem Unbekannten, die Schmerzen, die Trennung von Familie und Freunden, und das alles in einer sterilen, unbekannten und sich ständig verändernden Umgebung. In solchen Stresssituationen stellt die Kunsttherapie ein wichtiges Gegengewicht dar. Sie hilft jungen Patient:innen, ihre Gefühle mithilfe von Fantasie und verschiedene künstlerische Mittel wie bildender und visueller Kunst oder Musik auszudrücken. Laut der Weltgesundheitsorganisation fördern und beschleunigen diese sanften und nicht-invasiven Therapieformen den Heilungsprozess und wirken sich langfristig positiv auf die Gesundheit der Patienten und ihrer Familien aus.
Seit ihrer Gründung im Jahr 2008 setzt sich die Fondation ART-THERAPIE dafür ein, dass möglichst viele Neugeborene, Kinder und Jugendliche, die in Schweizer Spitälern behandelt werden, Zugang zur Kunsttherapie erhalten.
Die Geschichte Des Königs Ohrläppchen richtet sich sowohl an gesunde als auch an kranke Kinder.
Sie soll auch jene inspirieren, die sich nicht perfekt fühlen.
Silvana Mombelli Thommen, Directrice Fondation ART-THERAPIE
MARIELLA MULATTIERI-BINETTI
Als Soziologin mit Spezialisierung auf Kunsttherapie sowie mit Ausbildung und Praxis im Sprachunterricht, arbeite ich seit 20 Jahren in der Pädiatrie und Kinderpsychiatrie am Ospedale Regionale di Lugano, sede Civico.
In den Kunsttherapiesitzungen bilden der bildnerische Ausdruck und das Erzählen von Geschichten die Grundlage der Kommunikation mit den jungen Patient:innen, die bereits in jungen Jahren mitverschiedensten Krankheiten konfrontiert sind.
Seit Jahren wünschte ich mir ein schönes Buch mit ansprechenden Seiten, das Patient:innen und ihren Angehörigen ermöglicht, das Erlebte – wenn auch nur für einen Moment – zu erleichtern. Es soll auch anregen, Krankheit anders zu betrachten: als eine mögliche Chance, sich mit anderen zu verbinden und sich mit dem Schicksal des Lebens auseinanderzusetzen.
Krankheit erschüttert den Menschen und verursacht zweifellos Leid. In bestimmten Momenten kann sie ihm aber auch helfen, sich mit der eigenen Verletzlichkeit und deren Folgen auseinanderzusetzen. Angesichts von Krankheit rücken alltägliche Probleme, die zuvor als wichtig erschienen, oft in den Hintergrund und werden als weniger bedeutend wahrgenommen.
Während meiner langjährigen Arbeit in pädiatrischen Abteilungen habe ich zudem beobachtet, dass das Teilen der eigenen Krankheitserfahrung unter Patient:innen, die sich während eines Spitalaufenthaltes kennenlernen, ein neues Bewusstsein für ein oft unausgesprochenen Leid schafft, das das Leben vieler junger Menschen betrifft. Krankheit betrifft früher oder später jede:n, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Diese menschliche Verletzlichkeit relativiert die Vorstellung von einer idealen Normalität.
Junge Menschen fühlen sich oft “anders” und hinterfragen ihre eigene Normalität, schämen sich für Krankheiten oder besondere Lebensumstände. Zu erkennen, dass es keine Perfektion gibt und dass Normalität ein abstrakter, kulturell geprägter Begriff ist, kann helfen, Spannungen abzubauen, sowohl für die betroffenen Kinder als auch für deren Familien. Unsere Gesellschaft neigt dazu, Makel und Unvollkommenheiten abzuwerten und Krankheit und Tod auszugrenzen.
Der Begriff Resilienz, auch wenn er oft inflationär verwendet wird, passt gut zur Intention dieser Geschichte. Deshalb haben wir sechs Schlüsselbegriffe der Resilienzphasen in die poetischen Illustrationen von Ursula Bucher integriert. Sie sollen allen Menschen in leidvollen Situationen Denkanstösse geben: Welche Phase habe ich bereits durchlaufen? Wo stehe ich gerade? Und was liegt noch vor mir?
Die Idee für diese Geschichte kam mir, als ich mich an eine Radiosendung erinnerte, die mehr als zwei Jahrzehnte her ist Es war die Erzählung über einen König, einen Diener und eine Verletzung. Diese Geschichte hat mich berührt, und ich habe sie an den Kontext der pädiatrischen Versorgung angepasst. Trotz intensiver Suche konnte ich die ursprüngliche Geschichte nicht mehr finden. Hätte ich sie wiedergefunden, hätte Des Königs Ohrläppchen wahrscheinlich nie das Licht der Welt erblickt. Auch hier gilt: «Nicht alles Schlechte kommt zum Schaden».
CORINNA MÜHLBAUER
Als ausgebildete Keramikerin (Diplom in traditioneller Majolika-Kunst an der Schule G. Ballardini in Faenza), mit Spezialisierung in Kunsttherapie (Ausbildung am Institut «Risvegli», jetzt «Lyceum» in Mailand), arbeite ich seit dreizehn Jahren im Kinderspital (Ospedale Regionale di Lugano, sede Civico). Zudem biete ich Keramikkurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Atelier «Mani in terra» und in Schulen in der Region an.
Der Beginn meines Lebens wurde vom frühen Tod meiner Mutter geprägt.
Diese Abwesenheit wurde durch andere «Liebesobjekte», durch ihre Geschichten und ihr Schweigen gefüllt.
Angesichts körperlicher und/oder psychischen Symptomen oder Störungen richtet sich die Aufmerksamkeit oft auf den Körper und seine Vitalität – im Spannungsfeld zwischen Angst und Hoffnung.
Diese Erzählung verdeutlicht, wie eine veränderte Beziehung zum Heilungsprozess und das Erkennen positiver Aspekte dem Gehirn helfen kann, neue neuronale Pfade zu entwickeln. So kann der Fokus auf das gelenkt werden, was im Leben gut ist, anstatt auf das, was fehlt oder schmerzt.
Spontane Formen von Kreativität und Kunst sind Ausdrucksformen der Selbst- und Weltdarstellung, die mich faszinieren und begeistern. Sie eröffnen neue Handlungsräume und ermöglichen alternative Wege, um den Herausforderungen des Lebens zu begegnen.
UNITÀ DI DEGENZA PEDOPSICHIATRICA OSC – Ospedale Regionale di Lugano, sede Civico
Die psychische Pathologie in der Adoleszenz beinhaltet oft eine komplexe Beziehung zu einem Körper, der nicht mehr Kind, aber noch nicht erwachsen ist, und dessen Unvollkommenheiten durch die ständige Konfrontation mit anderen besonders deutlich werden. Eine Konfrontation, aus der man kaum als Sieger hervorgeht.
Die Erfahrung der pädiatrischen Abteilung des Ospedale Civico in Lugano ist von Anfang an geprägt
von der Arbeit, die die Kunsttherapeut:innen gemeinsam mit den jungen Patient:innen mit grosser Hingabe und Professionalität leisten.
Der Zugang zu einem kreativen Prozess geht Hand in Hand mit der Entwicklung eines stärkeren Selbstbewusstseins. Der Fähigkeit, wirksam und konkret auf die Welt einzuwirken. Eine Fähigkeit, die insbesondere durch psychische Erkrankungen, heute ebenso weit verbreitet wie stigmatisiert, auf eine harte Probe gestellt wird.
Dr.ssa Alexia Aldini, Caposervizio Servizi Medico Psicologici del Sottoceneri, specialista in psichiatria e psicoterapia dell’infanzia e dell’adolescenza FMH
Francesca Lanzi, psicologa clinica e psicoterapeuta, supervisore federale, coordinatrice Unità di Pedopsichiatria
Carlotta De Pasquale, specialista in psichiatria e psicoterapia dell’infanzia e dell’adolescenza FMH,
medico aggiunto Unità di Pedopsichiatria
DANKSAGUNGEN
Wir danken unseren jungen Patient:innen, die Leid und Freude in ihrem kreativen Schaffen und in ihren Worten mit uns teilen. Mögen sie erkennen, dass die tägliche Bewältigung der eigenen Krankheit bereits viel bedeutet – ein Keim der Resilienz.
Herzliche Glückwünsche an jede und jeden von ihnen sowie an ihre Familien.
Unser Dank gilt der Fondation ART-THERAPIE, die unsere kunsttherapeutische Tätigkeit seit vielen Jahren unterstützt – in der ganzen Schweiz und zum Wohle vieler Kinder. Ohne die Arbeit ihres engagierten Teams wäre eine solche Unterstützung nicht möglich, und auch dieses Bilderbuch hätte nie das Licht der Welt erblickt.
Ein herzlicher Dankeschön an Elisa Maricelli, die den italienschien Text freundlicherweise korrigiert hat.
Wir danken auch Frau Helena Zaugg Wildi, langjährige Mitarbeiterin der Fondation ART-THERAPIE, die sich um die deutsche Übersetzung der Erzählung gekümmert hat, sowie Herrn Nicolas Perrin für die französische Fassung und all jenen Spender:innen, die anonym bleiben möchten.