1. Wie bist du Kunsttherapeut/in geworden? Was hat dich dazu bewogen, diese Ausbildung zu absolvieren?
Ich wohne in der Nähe von Lugano. Vor rund 30 Jahren bin ich fĂ¼r mein Studium der Sozialwissenschaften und der Pädagogik in die Romandie, nach Lausanne, gegangen. Seit jeher haben mich die visuellen KĂ¼nste gereizt und ich ging häufig in Museen, wo ich mich wohl fĂ¼hlte und entspannen konnte. Ich dachte mir, dass wenn es Musiktherapie gibt, so mĂ¼sse es wohl auch Kunsttherapie geben. Damals war das aber noch nicht so bekannt. Ich durchforstete die Uni-Bibliothek und fand ein paar Werke dazu. Ich wollte die Studien rund um die Kunsttherapie in meine Masterarbeit in Sozialwissenschaft aufnehmen und sie mit dem Mythos des verrĂ¼ckten KĂ¼nstlers und seinem Bild in der Gesellschaft in Verbindung bringen. Ich habe mich auch mit der Kunstströmung der Art Brut beschäftigt. Als ich meine Masterarbeit schrieb, gelangte ich immer mehr zu der Ăœberzeugung, dass die Kunsttherapie – mindestens aus theoretischer Sicht – denjenigen, die sie praktizierten, etwas bringen könnte.
Damit hätte ich meine Leidenschaft (fĂ¼r die Kunst) und mein Studium im sozialen Bereich in einem Beruf kombinieren können. Ich wendete mich an die kantonale Berufsorientierung und entdeckte so eine Kunsttherapieschule in Lausanne. Vier Jahre Teilzeitstudium und ein paar Praktika später war ich bereit fĂ¼r den Berufseinstieg als Kunsttherapeutin. Und hier bin ich nun, 20 Jahre danach. Ich hatte das GlĂ¼ck, einem Chefarzt, Dr. V. Pezzoli, zu begegnen, der ein kĂ¼nstlerisches GespĂ¼r hatte und fĂ¼r komplementäre Behandlungen, die eine bessere Betreuung von Kindern erlaubte, offen war. Ein weiterer GlĂ¼cksfall war zum einen das Engagement von Frau Leber und zum anderen das der Fondation ART-THERAPIE, die meine Tätigkeit im Spital finanziell unterstĂ¼tzen. Ohne diese UnterstĂ¼tzung gäbe es keine Kunsttherapie fĂ¼r hospitalisierte Kinder. Ich bin ihnen zutiefst dankbar dafĂ¼r. Dankbar bin ich auch jenen, die die Fondation ART-THERAPIE sporadisch oder regelmässig durch ihre so wichtigen Spenden – unabhängig von deren Höhe –, unterstĂ¼tzen. Diesen Dank erlaube ich mir auch im Namen der jungen Patienten und ihrer Familien auszusprechen, die auf der pädiatrischen Station behandelt wurden und seit 2022 in der Abteilung fĂ¼r Kinderpsychiatrie betreut werden.
2. Was gefällt dir an deiner Arbeit am besten?
Viele der Patienten finden im Kunsttherapieatelier einen Ort, an dem sie ihren Schmerzen, Zweifeln, Ă„ngsten und Erfahrungen genauso wie ihren Hoffnungen, Fähigkeiten, Ressourcen und Projekten Raum geben können. Jede Kreation hat ihre Geschichte, die sich im Laufe der Hospitalisierung entfaltet und weiterentwickelt. Jede Lebensgeschichte enthält eine ganze Welt, die man durch die aufeinanderfolgenden Werke erahnen kann, fast wie in einem Museum. Der Unterschied besteht darin, dass die «KĂ¼nstler» da sind und wir miteinander interagieren. Sie können ihre Werke erläutern und dadurch ihren Erfahrungen, ihren Ideen und ihrem Willen Sinn verleihen. Sinn geben, entdecken, erhellen, teilen, erleichtern, bereichern, unterstĂ¼tzen – das alles motiviert mich, in meinem Beruf trotz der zum Teil schwierigen und belastenden Situationen weiter voranzukommen.
3. Seit wann bist du in unseren Projekten aktiv?
Ich arbeite seit 20 Jahren im Ospedale Regionale di Lugano (Civico).
5. Mit welchem KĂ¼nstler wĂ¼rdest du gerne abendessen?
Wenn ich mir zeitgenössische Installationen genau anschaue, wie die von Ernesto Neto mit dem Titel SunForceOceanLife, dann sehe ich neben der Kunst auch die Therapie. Das spiralförmige Werk hat eine Dimension von rund 25 Meter. Die Installation hängt in der Luft und ist in verschiedene Teile untergliedert, die die Betrachtenden Ă¼ber einen Boden aus Kugeln durchschreiten. Der Weg ist ungewiss.
Ich wĂ¼rde gerne mit diesem KĂ¼nstler frĂ¼hstĂ¼cken (meine Lieblingsmahlzeit), denn wie ich, wenn auch in kleineren Dimensionen, arbeitet er mit Häkelnadeln. Ich wĂ¼rde mich gerne mit ihm Ă¼ber die Erfahrungen im kreativen Schaffen mit dieser Technik unterhalten, die beweglich und warm ist und etwas MĂ¼tterliches hat (seine Grossmutter hat ihm Ă¼brigens die Technik beigebracht). Die Technik verlangt Konzentration, damit man sich nicht verheddert, bietet aber gleichzeitig auch grosse Freiheiten in der Kreation von Formen und Farben. Ich wĂ¼rde gerne Ă¼ber die zentripetale Spiralform sprechen, die von vielen Patienten (vor allem jenen, die Essstörungen haben) als Symbol fĂ¼r ihre Krankheit verwendet wird. Ich wĂ¼rde auch gerne das Konzept von Gleichgewicht ergrĂ¼nden wollen. Denn die Betrachtenden erleben den luftigen, unregelmässigen und beweglichen Weg – ein Konzept von Gleichgewicht, das allen Erfahrungen von Leid, Krankheit und Heilung zugrunde liegt, und das bei genauerer Betrachtung allen Lebewesen, auch Kunsttherapeuten, gemeinsam ist.
6. Was wolltest du als Kind eigentlich werden?
Als Kind wollte ich Coiffeurin werden, aber meine Hautprobleme haben mich daran gehindert. Ganz das Motto: «Wenn sich eine TĂ¼r schliesst, öffnet sich eine andere.» Ein Coiffeur spielt mit Farben und Schnitten und hört den Geschichten seiner Kunden zu. Vielleicht war in diesem Berufswunsch die Kunsttherapie schon im Keim vorhanden.
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